Dass Versicherungen nach einem Verkehrsunfall den Schaden klein rechnen wollen, ist kein Geheimnis. Das ist bis zu einem gewissen Grad auch nachvollziehbar, da es die berühmte Versichertengemeinschaft, bzw. die Aktionäre so wollen. Die Allianz schlägt aber nun ein neues Kapitel der Verschwendung von Unternehmensvermögen auf und macht die sog. „Nachbesichtigung“ (wieder) zum Thema. Unter Nachbesichtigung versteht die Allianz die Kontrolle des Unfallwagens durch einen selbst beauftragten Sacherständigen. Das ist schon grundsätzlich abzulehnen, wenn der verunfallte Wagen und damit der vom Geschädigten beauftragte Sachverständige kontrolliert werden soll. Neuerdings möchte man aber das reparierte Auto besichtigen!
So gestaltete sich jedenfalls ein Telefonat:
Anwalt: „Hat sich Ihr Kunde endlich gemeldet. Es müsste reguliert werden. Das Auto ist schon repariert. Die Rechnung liegt Ihnen vor und müsste bezahlt werden.“
Allianz: „Ich habe die Sache von der Prüfung zurück. Unsere Sachverständigen sagen, sie würden das Auto gerne sehen.“
Anwalt (überrascht): „Wozu? Es ist doch repariert. Was soll denn da besichtigt werden?“
Allianz: „Wegen der Heckklappe. Da muss eine Plausibilitätsprüfung erfolgen.“
Anwalt: „Was wollen Sie denn da prüfen? Der Wagen ist re-pa-riert. Aber ich schlage gerne vor, dass der Gutachter, der den Schaden bewertet hat, drüberschaut und einen Bericht fertigt.“
Allianz (nimmt im Rückraum Rücksprache mit irgend jemand): „Nein. Unsere Sachverständigen wollen das Auto sehen.“
Anwalt (wird ungehalten, beherrscht sich jedoch): „Das halte ich nicht für notwendig. Einen wirklichen Grund nennen Sie nicht.“
Allianz (mit der Stimmlage einer Mutter, die keine Süßigkeiten herausgibt): „Wenn unsere Experten nicht besichtigen dürfen regulieren wir nicht.“
Anwalt: „Dann hätte ich gerne Ihren vollen Vor- und Zunamen, da ich über dieses Gespräch eine Notiz fertige und Sie im Klageverfahren als Zeugin für diese Bedingung nennen muss.“
Allianz: „Motzki. Marion Motzki (Name geändert).“
Anwalt: „Vielen Dank Frau Motzki, Sie hören, bzw. lesen in ein paar Tagen von mir.“
Also wurde eine Klage gefertigt. Auf juristische und wirtschaftliche Vernunft hoffend erhielt die Allianz den Entwurf als letzte Drohung mit einer großzügigen zwei-Tages-letzte Chance-Frist. Nichts geschah. Daraufhin ging die Sache ans Amtsgericht und der Kostenvorschuss wurde eingezahlt.
Wiederum einige Tage später klingelte das Telefon erneut.
Allianz (kleinlaut und sehr freundlich): „Wir wollten mitteilen, dass wir jetzt alles gezahlt haben.“
Anwalt: „Aha. Wieso das denn? Sie haben doch das Auto gar nicht gesehen.“
Allianz (druckst herum): „Ja, da ist einiges schief gelaufen aber wir wollten doch nur nachsehen, ob die Reparatur sach- und fachgerecht ausgeführt worden ist. Das ist doch auch im Interesse Ihres Mandanten.“
Anwalt: „Im Interesse meines Mandanten ist, dass die Rechnung bezahlt wird. Wenn mit der Reparatur etwas nicht in Ordnung sein sollte, stehen unserem Mandanten die üblichen Gewährleistungsrechte zu. Außerdem ist das nicht Ihre Aufgabe, was interessieren Sie die Gewährleistungsrechte meines Mandanten?“
Allianz: „Manchmal kann das der Geschädigte ja nicht auf Anhieb erkennen, deshalb hätten wir unsere Sachverständigen…“
Anwalt (unterbricht): „Wissen Sie was? Ich habe aktuell einen Kaskoschaden am Heck. Mein Auto muss lackiert werden. Wenn Sie gerne die Menschheit vor schlechten Werkleistungen schützen, können Sie meinen Wagen nachbesichtigen.“
Allianz (irritiert und etwas unentschlossen über die Ernsthaftigkeit dieser Bitte): „Wenn das Auto bei uns versichert ist…“
Anwalt: „Nö. Das Auto meines Mandanten ist aber auch nicht bei Ihnen versichert. Das wollten Sie ja auch sehen.“
Allianz (rückt nun mit der Sprache raus): „Ja aber sehen Sie: Da war neben den anderen Sachen nur ein klitzekleiner Schaden an der Heckklappe und da wollten wir sehen, ob das auch richtig gemacht wurde, denn abgerechnet wurde es ja.“
Anwalt: „Ach so. Sie unterstellen der Werkstatt ins Blaue hinein, Arbeiten berechnet- und diese dann nicht durchgeführt zu haben.“
Allianz: „Naja. Wie gesagt. Das war ein wenig unglücklich. Wir haben ja jetzt gezahlt.“
Anwalt: „Leider habe ich vorgestern die Gerichtskosten eingezahlt, ich nehme dann zurück (prozessual notwendig), meine weitere Rechnung erhalten Sie dann.“
Ein Häkchen oder einen Vermerk hinter meiner Adresse „lässt keine Nachbesichtigung zu“ wollte die Dame leider nicht machen. Die Geschichte wird sich also höchstwahrscheinlich wiederholen.
Zur Klarstellung: Ein Nachweis über die sach- und fachgerechte vollständige Reparatur eines Unfallschadens kann verlangt werden, wenn dies Anspruchsvoraussetzung ist. Dazu müssen aber die Reparaturkosten über dem Wert des Autos (vor dem Unfall = Wiederbeschaffungswert) gelegen haben. Diese Nachbesichtigung führt i.d.R. der Sachverständige durch, der auch den Schaden besichtigt hat. Auch hier hat ein Versicherungsmann nichts verloren.
In unserem kleinen Theaterstück lag aber ein gewöhnlicher Reparaturschaden vor.