Dashcams sind „in“. Das findet auch der BGH und hat die Verwertbarkeit der Aufnahmen in Zivilprozessen erlaubt. Aber Achtung: Die Nutzung einer Dashcam kann dennoch rechtswidrig sein. Die Folgen reichen dann von Bußgeldern bis Einziehung.
Wie geht das denn? Schauen wir uns an, worum es ging:
Der Kläger, nennen wir ihn Ebby, betrieb eine Dashcam in seinem Fahrzeug. Nach einem Verkehrsunfall warfen sich die Beteiligten gegenseitig vor, die befahrene Fahrspur verlassen zu haben und gegen das andere Fahrzeug gestoßen zu sein.
Die Versicherung ersetzte Ebby die Hälfte seines Schadens, da der Unfallhergang nicht aufzuklären war. So endeten auch die vorgeschalteten Gerichtsverfahren, da die Zeugen nichts gesehen haben und der Gutachter nichts eindeutiges herausgefunden hatte.
Ebby bot aber als Beweis die Aufnahmen seiner Dashcam an. Die habe alles aufgenommen. Dort würde man den Verstoß des Unfallgegners deutlich sehen.
Die Gerichte aber lehnten das Beweismittel ab. Wieso? Die Argumentation war folgende:
Zunächst seien die Aufzeichnungen unter Verstoß gegen ein Gesetz, nämlich § 6 b Abs. 1 Nr. 3 Bundesdatenschutzgesetz, zustande gekommen. Demnach ist die Beobachtung öffentlich zugänglicher Räume mit optisch-elektronischen Einrichtungen (Videoüberwachung) nur zulässig, soweit sie zur Wahrnehmung berechtigter Interessen für konkret festgelegte Zwecke erforderlich ist und keine Anhaltspunkte bestehen, dass schutzwürdige Interessen der Betroffenen überwiegen.
Aha. Wir untersuchen:
- Die Beobachtung öffentlich zugänglicher Räume = Straßenraum
- Mit optisch elektronischen EInrichtungen = Videoaufzeichnung
Das ist gegeben. Die Aufzeichnung ist somit nur zulässig, wenn
3. sie für konkret festgelegte Zwecke erfolgt und
4. keine Anhaltspunkte bestehen, dass schutzwürdige Interessen der gefilmten überwiegen.
Bei Punkt 3. scheitere die Zulässigkeit bereits, weil die Aufzeichnung nicht für einen konkreten Zweck erfolgte, sondern während der gesamten Fahrt. Die nur theoretische Möglichkeit eines Unfalles rechte dem Gericht nicht aus.
Somit stand fest, dass ein Verstoß gegen § 6b BDSG vorliegt. Überraschung: Das führt aber nicht automatisch zu einem Beweisverwertungsverbot. Das Vorgericht meint dazu:
Vielmehr ist jeweils im Einzelfall insbesondere nach Art des Verbotes und Gewicht des Verstoßes sowie Bedeutung der betroffenen Rechtsgüter unter Abwägung der widerstreitenden Interessen zu entscheiden, ob ein rechtswidrig erlangtes Beweismittel verwertet werden darf
Man muss also Abwägen. Im Wettbewerb stehen hier das Recht auf informationelle Selbstbestimmung aller übrigen Verkehrsteilnehmer und das Interesse des Ebby zur Sachaufklärung, vielleicht auch das Interesse der Rechtspflege an richtigen Urteilen.
Nun hat das Recht auf informationelle Selbstbestimmung sogar Verfassungsrang. Jeder darf grundsätzlich selbst bestimmen, ob er gefilmt wird oder nicht – egal bei welcher Tätigkeit.
Das Gericht musste im konkreten Einzelfall bewerten, wie stark durch die Dashcam-Aufnahmen des Ebby in dieses Recht eingegriffen wurde. Ergebnis: Stark. Denn es handelte sich um eine fortlaufende Aufnahme des gesamten Verkehrsraumes.
Dem stand das Interesse des Ebby gegenüber, Schadensersatz für sein kaputtes Auto zu bekommen. Und nun verließ das Ausgangsgericht den Boden guter deutscher Autofahrerrechtsprechung, indem es sagte: Das reicht nicht.
Anders wäre es vielleicht gewesen, so das Landgericht Magdeburg, wenn Ebby schwer verletzt worden wäre oder es noch um einen erheblichen Sachschaden gegangen wäre. Ebby verlangte aber nur (noch) ca. 1.000 EUR Restschaden. Das sollte nicht ausreichen, um rechtswidrige gemachte Filmaufnahmen als Beweismitel zuzulassen.
Der BGH sieht das allerdings völlig anders.
Zwar sei die Aufnahmen unzulässig. Sie verstoße gegen § 4 Bundesdatenschutzgesetz (BDSG), da sie ohne Einwilligung der Betroffenen (Fußgänger, andere Verkehrsteilnehmer, Unfallgegner) erfolgt ist und § 6 b BDSG ebenfalls nicht greift (siehe oben).
Dennoch ist die Aufnahme verwertbar. Auch der BGH wägt die Interessen gegeneinander ab, gewichtet diese aber völlig anders – und das völlig eindeutig. Der BGH sieht ein überwiegendes Interesse des Ebby an einer Nutzung der Aufzeichnung als Beweismittel.
Die damit verbundene Rechtsverletzung anderer Personen empfindet der BGH als nicht sonderlich schwerwiegend. Was den gefilmten Unfallgegner angeht, habe sich dieser durch die freiwillige Teilnahme am öffentlichen Straßenverkehr selbst der Wahrnehmung und Beobachtung durch andere Verkehrsteilnehmer ausgesetzt.
Auch die Rechtsverletzung anderer Verkehrsteilnehmer stehe einer Verwertung nicht entgegen. Diese seien nämlich durch die Regelungen des BDSG ausreichend geschützt. Ein Beweisverwertungsverbot würde einen Schutz nicht erhöhen.
Und schließlich, meint der BGH, hat das Gesetz den Interessen der Unfallgeschädigten an einer Aufklärung des Sachverhalts einen besonderen Wert zugewiesen. So hat es bekanntlich das unerlaubte Entfernen nach einem Unfall unter Strafe gestellt.
Somit ist nun klar, dass Dashcamaufnahmen in einem Prozess verwertbar sind.
Es ist aber auch klar, dass der Nutzer gegen Datenschutzvorschriften verstößt, wenn er dauernd und ohne besonderen Anlass aufzeichnet.